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#mompower auf 800 Metern - zu Besuch bei Vera, Vollerwerbsbäuerin & Mama

  • Autorenbild: Sarah Bauernhofer
    Sarah Bauernhofer
  • 17. Juni
  • 7 Min. Lesezeit

Ich sitze jetzt am Schreibtisch und mir steigt noch immer ein leichter Stallgeruch in die Nase. Duschen? Später. Denn genau DIESEN Geruch, verbunden mit DIESEM Gefühl will ich noch ein bisschen festhalten.


Neben mir liegt ein angebissenes Butterbrot. Das Brot hat Veras Mama gebacken, die Butter habe ich heute selbst gerührt. Mit der Hand, aus Rahm von der hofeigenen Milch, versteht sich. Und während ich nochmal genüsslich abbeiße (für mich gibt’s fast nix Besseres als Produkte aus Bäuerinnenhand), denke ich mir: Jetzt weiß ich, wo Vera ihre Kraft hernimmt - unter anderem. Und dann schreibe ich los.


Veras Hof liegt in der Haslau bei Birkfeld auf über 800m Seehöhe, erreichbar über eine Schotterstraße, die mich erst zweifeln ließ. Doch Vera lachte am Telefon nur:„Ja, das ist der offizielle Weg zu uns.“ Und dann wusste ich sofort: Das hier wird besonders. Bodenständig, ehrlich, unverstellt.

Die Schotterstraße zu einem ganz besonderen oststeirischen #momlife.

EIN HOF, EIN ZUHAUSE Begrüßt werde ich nicht von Vera, sondern erstmal von zwei fröhlich wedelnden Hofhunden und einer Aussicht, die mir ein kleines „Wow“ entlockt. Die Oststeiermark zeigt sich heute von ihrer besonders schönen Seite. Ich steh da, atme tief ein und denk mir: „Da steht man wirklich gerne jeden Tag auf.“ Und kaum ausgesprochen - zumindest in Gedanken - bestätigt mir Vera später beim Interview genau das. Kurz darauf kommt sie auch schon um die Ecke, hinten auf der Bank nascht ihr Sohn Maxi, der im Herbst in den Kindergarten kommt, an frischen Radieschen. Veras Tochter Mia ist sechs Jahre alt und gerade im Kindergarten.


Vera ist 1994 geboren und strahlt diese ruhige Selbstverständlichkeit aus, die man oft bei Menschen spürt, die ihren Platz gefunden haben. Mit 15 war für sie klar: „Ich übernehme den Hof.“ Kein Zwang, keine große Frage. Einfach Klarheit. Heute lebt sie hier mit ihrem Mann Franzi, der in Anger arbeitet, ihren beiden Kindern Maxi und Mia sowie mit ihrer Mama und ihrer Oma - einer Urli, wie man sie sich nur wünschen kann. Später wird die Urli mir sagen, dass sie ihre Enkelinnen am Hof mit großgezogen hat und es bei den Urenkerln genau so ist - mit ihren 88 Jahren. Und ich glaube, das ist einer der Gründe, warum es hier am Hof so rund wirkt.


Maxi mit Mama Vera, der Oma und der Urli
Maxi mit Mama Vera, der Oma und der Urli

WO FRAUENPOWER DEN ALLTAG TRÄGT

Was mir sofort auffällt: Obwohl hier ein schwerer Schicksalsschlag hinter der Familie liegt - Veras Papa ist vor eineinhalb Jahren bei Arbeiten am Hof tödlich verunglückt - ist die Stimmung im Haus nicht betrübt. Ich betrete die Küche und zwei Frauen lachen mich an, mit dieser Energie, die sagt: „Ja, es war schwer. Aber wir machen weiter. Und wir halten zusammen.“ Frauenpower, wie man sie nicht oft findet, aber spürt, sobald man den Raum betritt.


Bevor wir gemütlich zum Interview übergehen, heißt es für mich aber: Hände waschen und ab in die Küche. Denn hier wird nicht nur geredet, hier wird gemacht. Topfen und Butter stehen auf dem Programm. Die Milch kommt selbstverständlich vom eigenen Hof, der Rahm ist frisch und gerührt wird noch mit einer alten Gerätschaft mit der Hand. Während ich versuche, nicht so auszusehen, als würde mir gleich der Arm abfallen, lache ich rüber zur Urli und sage: "Du hast das schon ein paar Mal gemacht, gö?" "Ein paar hundert Mal", grinst sie zurück.


Frische Milch vom Hof, ehrliche Arbeit und ganz viel Frauenpower: genau so schmeckt’s am besten.

Zeit nun, Vera ein paar Fragen zu stellen. Über das Leben am Hof, über Herausforderungen, Glücksmomente und darüber, was eine echte Powermama für sie ausmacht. Wie sieht ein ganz normaler Tag bei dir aus?

„Ich steh jeden Tag um 05:20 Uhr auf, wirklich jeden Tag“, erzählt Vera mit einem Lächeln, das erkennen lässt: Das ist für sie nichts Außergewöhnliches, sondern Alltag. „Die Kinder schlafen zu der Zeit meistens noch und ich geh schnurstracks in den Stall. Meine Mama kommt mit. Wir zwei machen das gemeinsam.“ Falls die Kinder doch schon wach werden, ist auch für sie gesorgt: „Dann gehen sie einfach zur Urli, die macht ihnen gleich einen Kakao und kümmert sich liebevoll um die zwei Mäuse. Wobei“, lacht sie, „Maxis erster Weg in der Früh ist sowieso der zu seiner Urli, noch a bisserl zuwikuscheln. Das ist wie ein kleines Ritual.“


Gegen halb sieben, sieben Uhr ist die Stallarbeit meist erledigt. „Wir haben rund 20 Kühe zu melken, das geht zu zweit recht gut.“ Danach beginnt der Alltag mit Mia. „Wochentags frühstücke ich mit ihr, wir haben da unsere gemeinsame Zeit, bis sie beim Haus vom Schulbus abgeholt wird. Und ja, dann geht’s weiter. Im Sommer oft bis zum Abend. Am Land gibt’s halt immer was zu tun.“ Und am Wochenende? „Da bin ich dann mit meinem Mann im Stall. Das ist unsere gemeinsame Zeit. Klingt vielleicht komisch, aber wir genießen das wirklich. Man redet, arbeitet, ist an der frischen Luft. Das verbindet.“ Melken, füttern, mähen, usw. - das machst wirklich alles du?

„Ja, mit meiner Mama gemeinsam“, sagt Vera ganz selbstverständlich. „Ob Hoflader fahren, Kiste anspannen, Futter mischen, mähen, das gehört bei uns einfach alles dazu. Beim Mähwerk anspannen hilft zum Beispiel mein Mann, das ist dann eher seine Abteilung.“

Aber Vera lässt sich auch von technischen Herausforderungen nicht bremsen. „Beim letzten Stromausfall während dem Melken hab ich's sogar geschafft, das Notstromaggregat zu aktivieren. Einfach, weil ich keine Zeit hatte, auf meinen Mann zu warten“, sagt sie schmunzelnd. „Man wächst da einfach rein. Und manchmal bleibt gar keine andere Wahl, als es einfach selbst zu machen.“ Kochen tut für uns aber oft und gern die Urli, erzählt Vera mit einem liebevollen Blick. „Wir sind einfach alle ein eingespieltes Team, anders würde das gar nicht funktionieren. Vor allem seit mein Papa verstorben ist, ist dieses Miteinander noch wichtiger geworden. Jeder hat seinen Platz, jeder packt mit an. Das gibt Halt und macht unseren Alltag möglich.“ Auch beim Wäschewaschen halten wir alle zamm. Ich muss die Wäsche nur zur Oma runterwerfen und irgendwie kommt sie dann sauber und zusammengelegt wieder retour", lacht Vera. "So wie's halt läuft, wenn man sich aufeinander verlassen kann." Nebenbei kümmern sich die Haubenwallers auch noch um das kleine Häuschen für den „Urlaub am Bauernhof“, das vor allem im Sommer einiges an Arbeit mit sich bringt.


Dieses Gefährt nennt man übrigens "Muli". Damit bringt Vera das Heu nach Hause.
Dieses Gefährt nennt man übrigens "Muli". Damit bringt Vera das Heu nach Hause.

Dass sie so vielen Arbeiten am Hof wirklich selbst macht, sieht man der bald 31-jährigen auch sofort an. Als ich Vera das erste Mal sehe, denke ich mir: „Was hat diese Frau bitte für geniale Oberarme?!“ Es wirkt, als würde sie vier- bis fünfmal pro Woche ins Fitnessstudio gehen - durchtrainiert, kräftig, voller Energie. Vera lacht, als ich das anspreche und sagt ganz trocken: „Mein Fitnessstudio ist mein Hof.“


Strahlt wie die Sonne und stemmt nebenbei Stall, Kinder, Haushalt und Hof.
Strahlt wie die Sonne und stemmt nebenbei Stall, Kinder, Haushalt und Hof.

Wie bringst du dann wirklich alles unter einem Hut? Wie kannst du Rücksicht nehmen auf deine eigenen Bedürfnisse?

„Einfach machen. Das ist meine Devise“, sagt Vera ehrlich. „Eigene Bedürfnisse werden bei mir schon eher hinten angestellt, das geb ich zu. Priorität haben einfach die Kinder und der Hof.“ Zeit nur für sich selbst ist rar und oft wetterabhängig. „Ich fahr total gern mit dem Rad, aber auch das geht nur, wenn es gerade reinpasst. Und wenn’s morgen schön ist, wird halt gemäht und keine Eisbechertour gemacht. Wir müssen da einfach ein bissl spontan sein.“ Trotzdem findet Vera kleine Momente nur für sich: „Letztens hatte ich sozusagen vier Stunden Me-Time, mit dem Mäher, beim Leitn mähen. Mäher an, Ohrstöpsel mit Musik rein, das war mein kleines Auszeitl.“ „Und abends tu ich dann auch einfach gern fernsehen, das ist so mein Runterkommen. Beine hoch, Kopf ausschalten.“


Gibt's ein besonderes Erlebnis mit den Kids am Hof, weshalb du sagst: Hier gehe ich nie weg?

„Jeder Tag ist besonders“, sagt Vera ohne zu zögern. „Ich bin da, sie sind da und das ist für mich das Schönste überhaupt. Sie wachsen hier auf mit Oma, Urli, mit Tieren und Natur. Es ist immer jemand da. Dieses Miteinander im Familienverband ist für mich etwas ganz Besonderes.“ Was sie besonders berührt: „Die Kinder entwickeln einen Hausverstand, den man gar nicht wirklich lernen kann, den leben sie von klein auf einfach mit.“

Und dann erzählt sie noch einen dieser kleinen Alltagsmomente, die so viel sagen: „Wenn ich Maxi und Mia abends dreckig, aber mit einem strahlenden Gesicht in die Badewanne stecke, dann weiß ich: Sie hatten einen guten Tag. Und das zählt.“

Fehlt ihnen da nie was? - frage ich vorsichtig.

Vera überlegt kurz: „Hm, ich hätte als Kind natürlich auch gern öfter im Sommer im Schwimmbad gelegen, aber dann war halt Heuarbeit angesagt. Und genau so ist es bei meinen Kindern auch. Klar, es gibt nicht jeden Tag Freizeitaction. Aber wenn wir dann schwimmen fahren oder in den Tierpark, dann ist das ein echtes Highlight. Etwas ganz Besonderes. Und ich glaube, das schätzen sie dann umso mehr.“



Worauf bist du in deinem Alltag als Vollerwerbsbäuerin besonders stolz?

„Wenn meine Kühe ordentlich Milch geben“, sagt Vera ohne Zögern und ihr Blick verrät, dass das für sie wirklich etwas Besonderes ist. „Dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Dass sie sich wohlfühlen, gesund sind und gut versorgt.“ Das erfüllt sie nicht nur mit Stolz, sondern auch mit Dankbarkeit. „Es ist immerhin mein Verdienst, das, was ich mit meinen eigenen Händen geschaffen habe. Und dafür bin ich jeden Tag demütig.“



Zwischen Stallluft und Kinderlachen.
Zwischen Stallluft und Kinderlachen.

Vera sprüht vor landwirtschaftlicher Lebensfreude. Aber zum Abschluss will ich doch wissen: Gibt’s etwas, das du NICHT magst am Landwirtin-Sein?

„Ich mag es nicht, wenn die Gesellschaft behauptet, wir Bäuerinnen und Bauern würden den Kälbern die Milch wegnehmen. Das ist eine wirklich dumme Aussage.“ Man merkt ihr an, wie sehr sie diese Behauptung ärgert und das mit gutem Grund:„Unsere Kälber werden zur Gänze mit Vollmilch von unseren eigenen Kühen gefüttert. So, dass sie optimal versorgt sind. Die Milchkuh produziert wesentlich mehr Milch, als ein Kalb brauchen würde. Und trotzdem hört man oft diese Vorwürfe ohne Hintergrundwissen, ohne Realität.“


Und dann kommt doch noch ein zweiter Punkt, ganz bodenständig: „Was ich auch nicht mag: kleine Bäumchen auszusicheln.“ Ich schaue sie fragend an. „Na mit der Sichel muss man frisch gesetzte Bäume von Unkraut und Brennnesseln befreien, damit sie wachsen können. Handschuhe an, bei 36 Grad durch Tannennadeln robben, das ist nicht meins. Da bekommst du die Nadeln ins Gesicht und die Brennnesseln unter die Haut. Ehrlich: Nein danke.“ Sie lacht und ich mit. Denn was bleibt, ist das Gefühl: Vera liebt ihren Beruf mit ganzem Herzen. Nur eben nicht zwischen Brennnesseln...

Jeden Tag mit einem Lächeln am Futtermischer.
Jeden Tag mit einem Lächeln am Futtermischer.

Was bei all dem Tun und Schaffen nie zu kurz kommt, ist das Mama-Sein. Vera lebt es nicht laut, nicht mit viel Aufhebens, sondern still, beständig und mit ganz viel Herz. Ihre Kinder wachsen mitten im echten Leben auf. Zwischen Kühen, Urli-Kakao, Matschhosen und selbstgemachter Butter. Sie lernen Verantwortung, Zusammenhalt, Respekt. Nicht aus Büchern, sondern aus dem Alltag. Und Vera? Die schaut ihnen dabei zu. Mal mit dem Mäher, mal mit der Milchkanne, mal mit müden Augen, aber immer mit ganz viel Liebe. Denn wer seine Kinder so aufwachsen sieht, braucht kein Schwimmbad-Abo, um zu wissen: Diese Kindheit ist gut. Danke, liebe Vera, dass du uns so offen in euer Leben, euren Hof und euer Herz schauen hast lassen.


Neugierig geworden?

Dann schaut unbedingt bei Vera auf Instagram vorbei und tauch ein in ihren Alltag am Hof - mit Kühen, Kids und Urlioma.

 
 
 

1 Comment


Julia
Jun 19

So eine schöne Story. Bitte wieder mehr davon. 😍

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Von Mama zu Mama

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